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Bildungsreise 2018: Menschenrechtsverletzungen in der DDR

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Es gibt Eindrücke, die unter die Haut gehen und sprachlos machen können. Definitiv dazu zählen die Menschenrechtsverletzungen in der DDR. 15 Menschen haben am Wochenende vom 30. Juni auf den 1. Juli an einer Bildungsreise des Vereins Agenda Alternativ teilgenommen, um auf Spurensuche nach begangenem Unrecht an den ehemaligen Orten des Geschehens zu gehen.

Als erste Station stand die Gedenkstätte „Geschlossener Jugendwerkhof Torgau“ auf dem Programm. In diesem Haus befand sich eine Disziplinierungsanstalt der Jugendhilfe, die direkt dem Ministerium für Volksbildung und damit Margot Honecker unterstand. Während seines Bestehens vom 1. Mai 1964 bis zum 11. November 1989 wurden über 4000 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren zur „Anbahnung eines Umerziehungsprozesses“ eingewiesen, die in anderen staatlichen Erziehungseinrichtungen negativ aufgefallen waren. Doch hatten sie weder Straftaten begangen noch gab es eine richterliche Anordnung für die Einweisung. Eiserne Disziplin und paramilitärischer Drill sollten eine Veränderung ihres Verhaltens bewirken, vor allem die Bereitschaft, sich den „sozialistischen Lebensnormen“ unterzuordnen.

Auf einer Führung durch den ehemaligen Jugendwerkhof schilderte Sylvia Rodriguez, Mitarbeiterin Archiv- und Bildungsarbeit in der Einrichtung, vom Alltag der hier eingesperrten Jugendlichen. Körperlicher und sexueller Missbrauch durch die Erzieher traten in der Einrichtung ebenso regelmäßig auf, wie Fluchtversuche und Selbstverletzungen der Inhaftierten. Besonders nachhaltig wirkte ein Besuch der Arrestzellen im Keller des Gebäudes, von denen eine, euphemistisch „der Fuchsbau“ genannt, zu klein war, um aufrecht darin stehen zu können. Eingeritzte Botschaften auf den Pritschen der Zellen zeigten, dass selbst am 9. November 1989 – dem Tag des Mauerfalls – noch Jugendliche arrestiert waren, bevor die Einrichtung kurz darauf geschlossen wurde. Wie eine Reportage mit Zeitzeugen darlegen konnte, zeigten die verantwortlichen „Erzieher“ des Jugendwerkhofes bis zuletzt keinerlei Einsicht in begangenes Unrecht. Seit 1998 ist der Ort eine Gedenkstätte.

Reportage mit Zeitzeugen:

Nach Besuch der Gedenkstätte im ehemaligen Geschlossenen Jugendwerkhofes in Torgau ging die Reise weiter zur idyllische gelegenen Unterkunft „Schullandheim Täubertsmühle“. Eine Reflexionsrunde am Abend gab die Möglichkeit, das Erlebte zu besprechen und Eindrücke auszutauschen.

Am Sonntag stand als nächster Punkt ein Besuch des Menschenrechtszentrums in Cottbus auf dem Programm. Die Mitte des 19. Jahrhunderts erbaute Anstalt fungierte zunächst als Gefängnis, bevor sie in der Zeit des Nationalsozialismus zum Zuchthaus umgewandelt wurde. Ab 1950 wurde die Einrichtung als „Vollzugsanstalt Cottbus“ dem Innenministerium unterstellt. Damit fanden sich unter den Inhaftierten eine steigenden Anzahl an politischen Häftlingen. Welche marginalen Anlässe für die SED-Machthaber ein Inhaftierungsgrund waren, konnte der Schwarzenberger Künstler Jörg Beier aus eigenen Erfahrungen vor Ort schildern.

Beier selbst hatte 1970 in Cottbus eingesessen. Der Inhaftierungsgrund: Geplante Republikflucht. Infolgedessen wurde seine Wohnung mehrfach durchsucht, Literatur, Briefe und Postkarten beschlagnahmt und ihm staatsfeindliche Hetze vorgeworfen. Die Unterhaltungen über Texte des später ausgebürgerten Liedermachers Wolf Biermann sowie der Besitz von Schriften Hermann Hesses oder Kafkas waren eines der Argumente der Anklageschrift. Wie abstrus die Begründung der Anklage war, schilderte Beier mit einem Beispiel: In der Gefängnisbibliothek waren Biermann-Gedichte problemlos ausleihbar.

Auf einer Führung durch die Dauerausstellung „Karierte Wolken“, zeigte sich, wie systematisch das System aus Überwachung, Denunziation und Haft gegen Oppositionelle in der DDR wirkte. Auch in der Vollzugsanstalt Cottbus ist es regelmäßig zu körperlichen Übergriffen sowie psychischer und sexueller Gewalt auf die Inhaftierten gekommen. Oftmals waren die Gefangenen dabei der völligen Willkür der Wärter ausgesetzt. Inhaftierten Eltern wurden die Kinder entzogen und zur Adoption freigegeben. Noch heute suchen damals getrennte Familien nach Angehörigen – so auch mittels Tafeln in der ehemaligen Cottbusser Vollzugsanstalt. Seit 2007 engagiert sich der Verein „Menschenrechtszentrum Cottbus“ um die Aufarbeitung des begangen Unrechts und einer Entschädigung der Opfer.

360-Grad-Foto der ehemaligen Vollzugsanstalt Cottbus >

Unser Dank gilt Jörg Beier, dem Menschrechtszentrum Cottbus sowie der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau für die vielen Einblicke und tiefgreifende Erlebnisse.

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